Taurelin

The Truth Beyond - Artikel und Informatives

"Knowledge of a wind so old
... whispers through the dark"
(Unanimated 1995)


Tico Tico Studio - Interview mit Ahti Kortelainen

"I never felt being a producer, more just an engineer trying to fulfill bands' wishes."
(Ahti Kortelainen 2018)

Ahti Kortelainen

Das Tico Tico Studio in Kemi, im hohen Norden Finnlands gelegen, ist eine Adresse, die nicht unbedingt so eng mit einem speziellen Sound oder dem Genre Death Metal überhaupt verbunden ist, wie es beispielsweise beim Sunlight-Studio der Fall ist. Trotzdem findet man genügend Alben im heimischen Regal, die genau dort eingespielt bzw. veredelt wurden (z.B. von SENTENCED, SONATA ARCTICA oder IMPALED NAZARENE). Und es sind nicht nur junge, einheimische Bands, die das Tico Tico Studio als Institution zu schätzen wissen.

Die Ursprünge des Tico Tico Studios gehen bis in die 80er Jahre zurück, wobei der Name offenbar eher zufällig gewählt wurde. Zwischenzeitlich zog man aufgrund des wachsenden Platzbedarfs um und arbeitet seit 1994 am aktuellen Ort. Chef und Betreiber ist seit jeher Ahti Kortelainen. Bei der Recherche für diesen Artikel kam mir die Idee, mit dem Meister persönlich in Kontakt zu treten, um ein paar Infos und Hintergründe aus erster Hand zu erhalten. Ahti erwies sich als höflicher, bodenständiger und vor allem humorvoller Schreibpartner. Und er gestattete mir nicht nur, einige Bilder von seiner Website zu übernehmen, sondern beantwortete mir geduldig all meine Fragen, so dass ich euch hier voller Stolz ein Exklusivinterview präsentieren kann. Vielen Dank, Ahti!

Aufnahme mit Mark Harman & Hot Rod Rhythm BoysF: Die meisten jungen Metaller träumen eher davon, in einer Band zu spielen, um reich und berühmt zu werden, und nicht davon, Produzent zu werden. Erzähl doch mal ein bisschen was über deine damalige Motivation, ein eigenes Studio aufzubauen, und dessen Geschichte.

A: Oh, ich spielte damals selbst Bass. Irgendwann, 82/83 oder so, kaufte sich unsere Band eine eigene PA-Anlage für Konzerte. Bloß als es dann an die Ratenzahlungen ging, war die Band schon wieder aufgelöst.
Also habe ich die Anlage zusammen mit meinem Freund Kari Kauppila (RIP) vermietet, um die erforderliche Kohle reinzukriegen. Nach ein paar Jahren war ich es aber leid, den Bus zu fahren und Kisten zu schleppen. Kari hatte nämlich mehr Bock auf den Rock'n'Roll-Lebensstil als darauf, genug Geld zum Leben zu verdienen. Da wir beide auch Interesse daran hatten, Aufnahmen zu machen und uns auch ein Fostex 16-Spur-Gerät zulegten, teilten wir, ich glaube 85 oder so, die ganze Ausrüstung auf. Kari übernahm die PA-Boxen etc., ich bekam unser Mischpult, ein paar Mikros und noch weiteren Kleinkram. Die ersten Demos hab ich noch zu Hause gemacht, aber als immer mehr Bands auf der Matte standen, mietete ich letztendlich eine Fläche von 90m² an. Das war die Geburt des Tico Tico Studios!

F: Finnland scheint mir, genau wie Schweden, ein wahres Paradies für Metal zu sein, speziell was die extremeren Spielarten betrifft. Damit meine ich nicht nur die reine Anzahl an (großartigen) Bands, sondern auch ihren Erfolg und ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Wie siehst du aus der Perspektive eines Insiders die finnische Metal-Szene und ihre Entwicklung seit den 90ern?

A: Nun, hautnah mitzuerleben, wie Bands in den 90ern groß wurden, war eine interessante Phase meines Lebens, beruflich wie persönlich. Die Bands hatten oft ihren ganz eigenen, einzigartigen Stil, und die Arbeit im Studio ging sehr schnell. Alle meine Produktionen von damals dauerten eine Woche oder noch weniger, vom ersten Trommelschlag bis zum finalen Mix. Ich fand es selbst sehr aufregend, zu sehen und zu hören, wie alles in so kurzer Zeit zusammenkam. Ich muss bedauerlicherweise gestehen, dass ich mich an das meiste aus dieser Zeit nicht mehr erinnere. Es war von allem zu viel, außer Schlaf. Ich habe mich nie als Produzent gefühlt, sondern eher als einfacher Tontechniker der versucht, die Wünsche der Bands zu erfüllen.
Neuere Metal Bands erscheinen mir so professionell, und das von ihrer ersten Veröffentlichung an. Aber die Musikindustrie fühlt sich momentan so ... industriell an, keine Ahnung.
Ich höre heutzutage nicht so viel Musik. Aber ich mag durchaus einige finnische Bands. Neulich bin ich auf "Dance with the Dragon" von DARK SARAH gestoßen, und das fand ich erstaunlich gut. Aber als alter Sack, der ich bin, tendiert mein Musikgeschmack eher in Richtung klassischer Rock-Bands wie KING CRIMSON, LED ZEPPELIN usw. :-)
Was neuere Metal Bands angeht, ist mein Wissen dagegen recht limitiert, da muss ich passen.

FreizeitbereichF: Sehe ich das richtig, dass du sämtliche Studioarbeit alleine bewältigst, einschließlich Webdesign, soziale Medien usw.? Wie sieht ein typischer Arbeitstag in deinem Leben aus, und was machst du gerne zur Entspannung und Erholung?

A: Ja, das stimmt. Bis auf die Buchführung, den Teil hasse ich.
Ein typischer Tag, das kommt darauf an, ob gerade eine Band im Studio zugange ist. Wenn ja, frühstücke ich mit meiner Familie, fahre meine Frau zur Arbeit und meinen Sohn zur Schule. Um 10 bin ich dann im Studio, hole zwischendurch meine Frau wieder von der Arbeit ab, Essen, zurück ins Studio, und gegen 19 Uhr bin ich wieder daheim.
Wenn es nur um den Mix geht, arbeite ich in der Regel alleine und kann den Tag viel flexibler planen. In so einer Phase verteile ich die Arbeit gerne auf mehr Tage mit weniger Stunden.
Außerdem stehe ich am Wochenende oft bei Live-Veranstaltungen am Mischpult.
Entspannung bedeutet für mich hauptsächlich, Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Und jetzt, wenn der Schnee endlich mal weg ist, fahre ich Motorrad, meine Moto Guzzi, so oft wie möglich. :-)

F: Bei vielen modernen Produktionen wird wieder mit einem "old-school / back-to-the-roots" Ansatz gearbeitet, etwa durch die Nutzung von rein analogem Equipment (wie Anssi Kippo auf "Two Paths" von ENSIFERUM) oder indem die ganze Band in einem Take aufgenommen wird und mit einem einzigen dicken Mikro (="Smokehead", ich denke da an Moses Schneider auf "Hordes of Chaos" von KREATOR). Wie würdest du deine eigene Philosophie als Produzent beschreiben, und was denkst du über die Arbeit deiner Kollegen?

A: Wie gesagt, ich höre nicht genug Musik, um mir ein Urteil über die Arbeit anderer zu erlauben. Aber insgesamt ist das Fachkönnen auf einem unglaublich hohen Niveau.
Ich selbst habe damals komplett analog angefangen: Mischpult, Mehrspurrekorder und Endmix auf Analogband. In den 90ern kamen zunächst digitale Mehrspurgeräte sowie DAT-Master-Rekorder und später dann Mehrspur-Software. Nach 18 Jahren habe ich endlich das alte Mischpult von Soundtrac verkauft und durch ein digitales Pult ersetzt. Damit ist jetzt die gesamte Produktionskette digital. Natürlich kommen immer noch analoge Mikro-Vorverstärker und ähnliche Gerätschaften zum Einsatz. Aber was die Aufnahmen an sich betrifft, läuft mittlerweile alles digital.
Ich vermisse das analoge Zeitalter auch nicht wirklich. Es war oft sehr stressig, wenn man am Sonntagabend feststellte, dass man immer noch zwei Songs fertig mischen muss, weil am nächsten Morgen schon die nächste Band kommt, und man kann den Mix nicht einfach unterbrechen, weil dann die ganzen Einstellungen futsch sind... arrgh. Heute kann ich einfach zu einem vergangenen Projekt zurückgehen und noch etwas Feinschliff betreiben, wenn es nötig ist. Und das ist ziemlich oft nötig.

TrophäenF: Wie sähe deine Top5-Liste an Alben aus, auf die du besonders stolz bist? Und hast du ein paar lustige oder nervige Anekdoten von vergangenen Produktionen auf Lager?

A: Das fühlt sich unfair an, irgendwelche Lieblingsalben zu wählen, denn Spaß gemacht haben alle. Aber:

Außerdem: Janne Sova von BARATHRUM, Momente im Studio und außerhalb. :)

F:Welche guten Ratschläge (Dos + Don'ts) würdest du einer jungen Band an die Hand geben, die gerade ihre erste Aufnahmesession bei dir im Studio plant?

A: Studio kostet Geld, also:

F: Ein paar weise Worte zum Schluss?

A: Ich habe solch ein Glück, dass ich seit so vielen Jahren mit Metal (und anderer Musik auch!) arbeiten und Geld verdienen kann. Es ist wirklich mein wahrgewordener Traum.

Noch einmal vielen Dank an Ahti Kortelainen für die ausführlichen und, wie ich finde, wirklich interessanten Antworten. Die originale Version des Interviews in englischer Sprache findet ihr hier. Wer mehr über das Studio erfahren möchte, dem seien die unten angegebenen Links empfohlen sowie der entsprechende Eintrag im Listenwahn

Weblinks:

Nach oben