Taurelin

The Truth Beyond - Artikel und Informatives

"Knowledge of a wind so old
... whispers through the dark"
(Unanimated 1995)


Geheimnisse einer guten Playlist

"Als Anheizer brauchst du 'nen Hit, damit man dir zuhört. Dann drehst du noch einen Tick mehr auf, aber ohne dein Pulver zu verschießen. Anschließend kühlst du das ganze wieder runter. Und das sind nur die Grundregeln."
(John Cusack als Rob Gordon in High Fidelity)

John Cusack in High Fidelity

Wenn man einen Sampler für einen wertvollen Menschen oder einfach nur eine Best-of-Lieblingsband fürs eigene Auto zusammenstellt, ergeben sich im Grunde die gleichen Fragen, die auch eine Band bei der Vorbereitung eines Konzerts umtreiben:

Welche Songs? Welche nicht? Und in welcher Reihenfolge?

Das Ergebnis dieser Überlegungen ist im Idealfall mehr als die Summe seiner Teile. Eine gute, funktionierende Playlist zu basteln ist tatsächlich eine Kunst für sich - schwierig, macht aber Spaß.

Hier mal meine persönlichen 10 Gebote:

Setlist Grave, Siegen Vortex Sep 2012

1. Mindestens einen Song von jedem Album

Es gibt leider viel zu viele Bands, die ganze Kapitel ihrer eigenen Discographie sehr stiefmütterlich behandeln. Das sind meist die Frühwerke, im Fall von AMORPHIS beispielsweise fehlt auf Konzerten die komplette mittlere Phase (von "Tuonela" bis "Far from the Sun").

Ich denke, eine gute Setlist darf ruhig die gesamte Entwicklung der Band repräsentieren, und es muss schon ein triftiger Grund herhalten, warum einzelne Alben dabei komplett ausgeblendet werden sollen.

2. Niemals zwei Songs vom selben Album hintereinander

Es gibt natürlich Ausnahmen, z.B. wenn Intro und Opener zusammen gehören (DISSECTION - "At the Fathomless Depths" / "Night's Blood"), wenn die Songs eine thematische oder musikalische Einheit bilden (BLIND GUARDIAN - "The Bard's Song Pt. I + II") oder aufnahmetechnisch ineinander übergehen und schwer zu trennen sind (RUNNING WILD - "Death or Glory" / "Battle of Waterloo"). Aber prinzipiell empfinde ich 2er- oder gar 3er-Blocks als schlechten Stil.

3. Struktur geben

So wie ein Text in Einleitung, Hauptteil und Schluss gegliedert ist, besteht eine Playlist aus Eröffnungssequenz (Intro/Opener + 2, maximal 3 weitere Tracks), Hauptteil (der seinerseits in mehrere "Kapitel" untergliedert sein kann), Schlussphase und Zugabenblock.

4. Uptempo-Kracher zum Einstieg

Siehe Zitat aus 'High Fidelity'. Dass dieses Rezept sehr gut funktioniert, sieht man auf mehreren RUNNING WILD Alben, wo auf einen schnellen, melodischen Opener eine Rocknummer folgt und der dritte Song in eine experimentelle Richtung geht. Siehe "Death or Glory" ("Riding the Storm" / "Renegade" / "Evilution") oder "Blazon Stone" ("Blazon Stone" / "Lonewolf" / "Slavery").

Beispiele wie man es nicht machen sollte: DISMEMBER - "Stillborn Ways" (Under Blood Red Skies DVD), TIAMAT - "A Pocket-Sized Sun" (Live in Wacken)

5. Breaks erzeugen Spannung

Das kann ein stilistischer Bruch sein, ein Sprung in der Zeit ("Okay, jetzt kommt ein Song von unserem Debüt-Album. Kennt das noch jemand?") oder ein (kurzes) Zwischen-Intro.

Eine gute Setlist ist wie eine Achterbahnfahrt. Es kann mal hoch, mal runter gehen, aber sie ist immer in Bewegung.

6. Keine Pausenfüller

Ich bin kein Freund von Drum-Solos, Instrumentals und ähnlichem Schnickschnack, der nur Zeit schinden soll. Und mittelmäßige Songs als Füllmaterial auf eine Best-of zu packen, ist sowieso ein Widerspruch in sich.

7. Ans Ende gehört ein episches Meisterwerk

Nicht jede Band hat eine Hymne a la "Prisoner of our Time" im Programm. DISMEMBER sollten in dem Fall zu "Dreaming in Red" greifen, SENTENCED zu "Moon Magick".

8. Songs, die auf dem Album als Opener fungieren, taugen oft gut als Rausschmeißer

Beispiele: RUNNING WILD - "Under Jolly Roger", SLAYER - "Angel of Death", ENTOMBED - "Left Hand Path", BLIND GUARDIAN - "Majesty". Q.e.d.

9. Im Zugabenblock können nicht nur die großen Klassiker Platz finden, sondern auch obskure Raritäten, Coversongs etc.

Selbsterklärend.

10. Auf die Übergänge achten

Auf CD hat man zwischen den Songs manchmal ein paar Sekunden Pause. Je nachdem, wie man die Playlist zusammenschneidet, können diese Pausen auffällig lang werden. Falls nötig sollte man da Hand anlegen, damit der "Flow" erhalten bleibt. Profis achten außerdem auf einen angeglichenen Lautstärkepegel, der bei Songs von unterschiedlichen Alben mitunter hörbar variiert.

Anschauungsbeispiel: (meine) Best of EDGE OF SANITY

Edge of Sanity LogoThe Spectral Sorrows (Intro)
Darkday
Of Darksome Origin
Until Eternity Ends
Human Aberration
Jesus Cries
Twilight
Dead but Dreaming
Elegy
Losing Myself
The Masque
When All is Said
_______________
Silent
Sacrificed
Enigma

Im Sinne von Regel 1 fehlen "Crimson I/II", da dies 1-Song Alben sind, und beide Songs finde ich gut, aber für eine Playlist eineutig zu lang. Von "Cryptic" ist ebenfalls kein Song enthalten, denn ein EoS-Album ohne Dan Swanö ist für mich kein echtes EoS-Album.

Man beachte, dass die Eröffnungssequenz sowohl zum 'High Fidelity' Zitat, als auch zu der Vorgehensweise von RUNNING WILD passt. "Darkday" ist ein perfekter Opener, und die Blastattacke am Anfang von "Of Darksome Origin" setzt noch einen drauf. "Until Eternity Ends" ist grooviger und progressiv angehaucht, was einen schönen Kontrast erzeugt.

Auffällige Breaks sind der Zeitsprung zum Debüt in Form von "Human Aberration" und die melodischen Ohrwürmer "Twilight" und "Losing Myself". Die Hits finden sich am Ende des regulären Sets bzw. im Zugabenteil, wo ebenfalls die Hommage an die SISTERS OF MERCY, "Sacrificed", erscheint.

Viel Spaß beim Ausprobieren bzw. beim selbstständigen Tüfteln

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